Hintergrundwissen

Ausführlicher historischer Hintergrund der Barocktage Bückeburg 2019

Eine Zusammenfassung der historischen, örtlichen und militärischen Gegebenheiten, auf dass man sich dort besser zurechtfinde nebst einigen nutzbringenden Hinweisen und Anregungen für die Darstellung.

Verfasst von Marcus Stickdorn alias Johann Heinrich-Krückeberg, Capitaine vom Schaumburg=Lippischen Artillerie=Corp

Wann spielen wir?

Wir befinden uns im Jahre 1759. Wie sicherlich jeder weiß, tobt der Siebenjährige Krieg seit drei Jahren und hat seit längerem auch Deutschland erreicht

Bei diesem handelt es sich zweifelsohne um einen der folgenreichsten Kriege der europäischen Neuzeit, der unsere Weltordnung bis heute bestimmt (man spricht Englisch). Es war der erste wirkliche Weltkrieg, der auf allen damals bekannten Kontinenten ausgetragen wurde (d,h. nur Australien und die Antarktis blieben verschont). Auch der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg sowie die Französische Revolution resultieren direkt aus diesem Konflikt. Und mit einem anderen Ausgang wäre die heutige Bundeshauptstadt sicherlich nicht Berlin.

Hauptaustragungsorte an der ‚Westfront‘ waren Hessen und Westfalen. Auch Bückeburg war 1758 und 1759 von den Franzosen besetzt, wurde aber nach dem Sieg bei Minden befreit. Die Bevölkerungsverluste in Westfalen werden auf 10-15% geschätzt. (D.h. die Franzosen sind zur Zeit nicht sonderlich beliebt!)

Dies alles ist nun vorbei, man kann aufatmen und sich beglückwünschen alles mehr oder weniger gut überstanden zu haben – während man gleichzeitig ruhig etwas auf die Franzosen schimpfen darf.

Wo spielen wir?

Wir befinden uns in Schaumburg-Lippe – seit 1948 Niedersachsen, davor aber Westfälischer Kreis! Die Hauptstadt und gräfliche Residenz ist Bückeburg. Die direkten Nachbarn sind im Westen Preußen (Minden) im Norden und Osten Braunschweig-Lüneburg (Hannover) und im Süden Hessen-Kassel (Rinteln u. Hessisch Oldendorf – dies ein war ein Problem, dazu später mehr).

Im 18. Jahrhundert handelt sich hier um ein klassisches Duodez-Fürstentum – eine souveräne Grafschaft mit gerade einmal 17.000 Einwohnern. Somit also eine der vielen lächerlich unbedeutenden Herrschaften, von denen das Reich damals nur so wimmelte, wenn da nicht sein regierender Graf gewesen wäre – auch dazu im folgenden mehr.

Unter wessen Herrschaft spielen wir?

Seit 1748 herrscht in Bückeburg Graf Wilhelm zu Schaumburg-Lippe. (Eigentlich war er nur der zweitgeborene Sohn, aber sein älterer Bruder Georg hatte es geschafft, sich 1742 bei einem Duell umbringen zu lassen.) Geboren war er 1724 in London, wo er auch seine Jugend verbrachte (er war ein Enkel König Georgs I.). Gestorben ist er dagegen kinderlos und mit gebrochenem Herzen 1777 auf Haus Bergleben bei Wölpinghausen (seine Frau und einzige Tochter waren da bereits tot). Aber dies ist ja noch ein bisschen hin.

Zur Zeit (d.h. 1759) ist als Generalmeister der Artillerie bei den alliierten Truppen. Wilhelm wird später ein in ganz Europa bekannter (und je nach Perspektive auch gefeierter) Kriegsheld sein (in Portugal übrigens bis heute!). Seine Meriten bestehen vor allem in seinem entscheidenden Beitrag zum Sieg bei Minden sowie seiner erfolgreichen Verteidigung Portugals als Oberkommandierender der portugiesisch-britischen Streitkräfte. Auch ist als Verfasser fortschrittlicher militärwissenschaftlicher Abhandlungen berühmt und wird als Lehrer Scharnhorsts die preußischen Militärreformen von 1807 post mortem entscheidend mitbestimmen.

Hochgebildet (spricht sechs Sprachen fließend) ist er auch als Förderer der Künste bekannt (wer ist das nicht) und beschäftigt zeitweise Johann Christoph Bach als Hofkomponisten und Johann Gottfried Herder als Hofprediger (letzteren erst ab 1771). Natürlich ist er auch Freimaurer.
Als Herrscher äußerst fortschrittlich schafft er die Frondienste der Bauern sowie das Prügeln von Soldaten weitgehend ab, gründet diverse Industrien sowie eine Offiziers Akademie (siehe Scharnhorst) und erfindet nebenbei noch das vielleicht erste U-Boot (den Steinhuder Hecht).
Als Persönlichkeit ist er dagegen etwas exzentrisch. So wettete er einmal, er würde es schaffen von London nach Newcastle auf dem Pferde rückwärts sitzend zu reiten; und ein anderes mal, dass er als Bettler verkleidet ohne Geld bis nach Dublin reisen könne. Beide Wetten soll er gewonnen haben. Zu seiner Vita gehören auch Duelle – vorzugweise wegen junger hübscher Schauspielerinnen.
Wilhelm ist zudem weit überdurchschnittlich intelligent – und lässt das auch die ganze Welt wissen (viele Freunde hat er nicht).
Aber sein liebstes Ding sind Kanonen – weshalb man auch in ganz Europa den ‚Kanonengrafen‘ nennt (was er allerdings gar nicht schätzt!). Er gründet bei Bückeburg die modernste Stückgießerei Deutschlands und exportiert diese auch. Die besten Rohre aber bleiben für seine eigene Artillerie, welche im Ruf steht, die bestausgebildete der Welt zu sein (dies keine Übertreibung).
Insgesamt leistet er sich eine Armee von ca. 1.200 Mann (davon 400 Artilleristen!). Angesichts von nur 17.000 Einwohnern eine haarsträubend hohe Zahl. Der Grund dafür liegt im unangenehmen südlichen Nachbar Hessen-Kassel – dem Todfeind! Der dortige Landgraf ist nämlich der Auffassung, dass Schaumburg-Lippe von Rechts wegen ihm zusteht. Wilhelm leistet sich hier naturgemäß eine andere Meinung.
Während des Siebenjährigen Krieges fochten hessische und schaumburg-lippische Truppen Seit an Seit gegen die Franzosen. Wobei Wilhelm aber nie eine Gelegenheit ausließ, ihm unterstellte hessische Offiziere für dieses und jenes unter Arrest stellen zu lassen (er ist eben etwas schwierig im Umgang) weshalb auch niemand wirklich traurig war, als er 1762 aufbrach, um auf Geheiß der britischen Krone Portugal zu retten. 1787 wird es dann aber tatsächlich einen hessischen Angriff geben, der allerdings an preußischer und hannöverscher Intervention scheitert (man hatte den ‚Kanonengrafen‘ in Berlin und London nicht vergessen).
Wie man sieht, sind auch die Hessen nicht sonderlich beliebt in Bückeburg.

Was spielen wir?

Der Krieg hat also Schaumburg-Lippe erreicht. Die alliierte Armee im Britischen Dienst hat bei Hastenbeck eine empfindliche Niederlage erlitten und sich bis hinter Bremen zurückgezogen. Französische leichte Truppen – größten Teils deutsche Söldner – marodieren durch ganz Norddeutschland.
Für Bückeburg heißt das nun: die Franzosen kommen!
Die örtliche Bevölkerung – inklusive des Landadels und Herrschaften auf der Durchreise – hat sich im Schloss einquartiert, in der Hoffnung, Schutz vor den Franzosen zu finden – eine Hoffnung die enttäuscht werden wird. Die Franzosen werden das Schloss selbstverständlich besetzen und sich – wie es ihre Natur ist – ordentlich daneben benehmen.

Für den Außenbereich bedeutet dies:
Französische Söldner (u.a. dargestellt durch Jäger – Chasseurs de Fischer) drangsalieren die Bevölkerung mit Plünderungen und willkürlichen Verhaftungen. Es kann zu Gegenwehr kommen, d.h. Handgreiflichkeiten aber auch kleinen Schießereien im Schlossgarten.

Für den Innenbereich bedeutet dies:
Französische Offiziere führen das Kommando und sind allgegenwärtig. Zumindest wissen diese aber, sich zu benehmen – hoffentlich.

Zum Ende des Tages werden eilig herangeführte Reservetruppen die Franzosen im Schloßpark angreifen und vertreiben.
Dies historisch nicht korrekt aber dramaturgisch notwendig! (Tatsächlich zogen sich die Franzosen im Winter angesichts der überraschenden alliierten Gegenoffensive weitgehend kampflos zurück.)

Organisation und Ausbildung

Die schaumburg-lippische Militärgeschichte beginnt (im wesentlichen) mit der Regierungsübernahme durch Graf Wilhelm 1748 und endet im Prinzip auch wieder mit dessen Tode im Jahr 1777.

In dieser kurzen Zeit wird Schaumburg-Lippe allerdings ein erhebliches renommée erlangen – was hauptsächlich der Person Wilhelms geschuldet ist.

Die Friedenstärke lag bei bis zu 1.200 Mann, was bei nur 17.000 Einwohnern ganz erheblich ist. Wer wissen möchte, was Wilhelm zu einer derartigen Aufrüstung getrieben hat, sei wieder auf den Anhang der letzten mail verwiesen.

Das Konzept war dabei insofern ungewöhnlich (und auch Zukunftsweisend) als alles um die Artillerie herum aufgebaut war, welche rund ein Drittel der Truppe ausmachte und noch vor den Grenadieren rangierte.

Die Ausbildung war sehr fortschrittlich, Wilhelm gilt als der Vordenker der späteren preußischen Heeresreformen unter Scharnhorst. So waren das Prügeln von Soldaten bei ihm verboten (es sei denn bei sehr schwerwiegenden Verfehlungen) und selbst mit derben Ansprachen mussten sich die Vorgesetzten zurückhalten. So drohte dem Unteroffizier Arrest, welcher einen Gemeinen mit ‚Schelm‘ zu titulieren wagte.

Was die Taktik anbelangt, so galt Wilhelm als Experte für den kleinen Krieg, weshalb er danach trachtete, auch die Linieninfanterie für den Kampf in kleinen Einheiten und auch aufgelockerte Formation zu trainieren.

Insbesondere die Artillerieausbildung aber, war ihrer Zeit voraus. Geübt wurde unter anderem mit beweglichen Zielscheiben. Und bisweilen wurden auch Wettschießen zwischen Jägern und der Artillerie abgehalten (welche die Jäger durchaus nicht zwangsläufig gewannen).

Diese Übungsschießen, wie auch zahlreiche militärtechnische Experimente, fanden bei Hagedorn nahe des Steinhuder Meeres statt.

Allerdings war auch Schloss Bückeburg Schauplatz militärischer Aktivität. Das Schloss war damals befestigt (siehe Bild) und verfügte sogar über ein Minensystem (einer der Eingänge ist im Schlossgarten noch sichtbar).

Auch gab es in der Stadt eine Stückgießerei – die vermutlich modernste Deutschland, deren Produkte sogar in England Absatz fanden.

Die Disziplin war sehr streng aber nicht brutal. So waren körperliche Strafen auf schwere Vergehen beschränkt.Zudem war es – wie gesagt – selbst Offizieren explizit verboten, einfache Soldaten zu beleidigen (zumindest wenn der Graf dessen gewahr wurde). Dem Kerl sollte mit Respekt begegnet werden. Es ist dies bereits der Geist der späteren Scharnhostschen Reformen – welche ihren Ursprung in Bückeburg haben.
Wie man sieht, gibt es keinen Grund, sich zu schämen, wenn man für ein Wochenende einen schaumburg-lippischen Soldaten darstellen soll. Und das Publikum erwartet auch genau dies (man lasse die Leute ruhig ein bisschen stolz auf ihre Lokalgeschichte sein).

Gliederung des Militärs

Die Gliederung des Schaumburg-Lippischen Militärs sah wie folgt aus:

Carabinier Corps:

75 (später 150) Mann, leichte Kavallerie mit Elite-Charakter. Schwarze Hirschlederne Uniformen, geschwärzte Kürasse und Eisenhelme, Säbel, Büchsen, doppelläufige Pistolen, schwarze Andalusier Hengste (!). Insgesamt ein sehr düsteres Erscheinungsbild, deshalb sie von den Franzosen auch les diables noires de buckebourg genannt wurden. Eine Truppe deren Ausrüstung und Erscheinungsbild zeigt, wie wenig sich Wilhelm um Konventionen scherte.

Artillery Corps:

Ca. 400 Mann, Die zeitweise vielleicht bestausgebildete Artillerie Europas (und damit der Welt). Dunkelblaue, sehr schlichte Uniformen mit schwarzen Aufschlägen und weißen Carmisölern, mittlere 3-, 6- und 12-Pfünder Kanonen sowie Haubitzen und Mörser, welche allesamt von Wilhelm persönlich konstruiert und in Bückeburg gegossen waren. Während des Krieges, war ein Großteil der hannöverschen, hessischen und braunschweigischen IR’s mit Bückeburger 3pfd. Bataillonsstücken ausgestattet.

Grenadiers:

Zwei Kompanien, aus dem Infanterieregiment hervorgegangen (s.u.). Die Uniformierung entsprach weitgehend preußischem Vorbild, nur dass die Grenadiermützen niedriger waren (eher wie Fusiliermützen).

Jäger Corps:

Ca. 50 Mann aus der gräflichen Leibjägerei hervorgegangen. Grüne Uniformen mit gelben Aufschlägen und Carmisölern, Büchsen, Pistolen, Hirschfänger. Wurde während des Krieges erfolgreich mit den Jägern aus Hannover, Hessen und Braunschweig eingesetzt und waren insbesondere bei französischen Offizieren sehr unbeliebt.

Infanterieregiment Graf Wilhelm:

Ein bataillon, ca. 700 Mann. Die Uniformierung entsprach ebenfalls dem preußischem Vorbild, die Bajonett-Flinten dagegen waren hannöversch und englisch (Brown Bess). Während des Krieges hatte IR GW vor allem die Aufgabe, die alliierte Artillerie zu bedecken – was unspektakulär wirkt, aber nur sehr zuverlässigen Einheiten übertragen wurde. Man war sich allgemein einig, dass die schaumburg-lippische Infanterie den Preußen in nichts nachstand.
Nach dem Krieg übte das Regiment auch den Kampf auf Kompanie-Ebene in Schützen-Formation, womit es sich von üblichen IR’s der Zeit deutlich abhob.

Ingenieur Corps:

Ca. 50 Mann. Uniformen ähnlich wie die Artillerie. Zu Anfang des Krieges die einzigen Ingenieure, die der Herzog von Braunschweig zur Verfügung hatte. Rückgrat der alliierten Belagerungsmaschinerie während des Krieges.

Die Zusammensetzung sollte möglichst aus Landeskindern bestehen. Wilhelm schwebte sogar etwas ähnliches wie eine Wehrpflicht vor. Der Gedanke war aber bei den meisten der besagten Landeskindern eher unbeliebt, so dass Rekruten aus ganz Deutschgland genommen werden mussten (unter den Offizieren gab es sogar einige Franzosen). Schaumburg-Lippe ist lutherisch. Katholische oder reformierte Soldaten wurde allerdings toleriert, man gab sich aufgeklärt.